Online-Einkaufstourismus wächst wegen Temu, Shein und Co.
Eine Studie des Forschungszentrums für Handelsmanagement der Universität St. Gallen HSG hat den sogenannten Online-Einkaufstourismus, also den Onlineeinkauf im Ausland untersucht. Dieser legt immer mehr zu. Auch wegen Temu, Shein und AliExpress.
Der Schweizer Detailhandel hat 2023 rund 103 Milliarden Franken umgesetzt. Seit Jahren zeigen Studien, dass der Einkaufstourismus (EKT) in stationären Verkaufsstellen entlang der Schweizer Grenze zusätzlich rund 7 bis 8 Milliarden Franken ausmacht. Bisher lag der Fokus dieser Studien auf der Entwicklung des stationären EKT, der jedoch seit einigen Jahren stagniert. Stark an Bedeutung gewinnt der so genannte Online-EKT, also der Online-Einkauf im Ausland. Dieser steht im Mittelpunkt der neuen Studie „Online-Einkaufstourismus Schweiz 2024“ des Forschungszentrums für Handelsmanagement der Universität St. Gallen HSG.
Rückblick
Den Schweizer Detailhandel beschäftigt der EKT seit vielen Jahren. In den 70er und 80er Jahren kamen noch viele Bürger aus den Nachbarländern in die Schweiz, um Schoggi, Hörnli oder Kaffee zu kaufen. Doch mit dem immer stärker werdenden Schweizer Franken hat sich der stationäre EKT grundlegend gewandelt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends waren es bereits Milliarden Schweizer Franken, die dem Schweizer Detailhandel entgingen und das Wachstum stationärer Geschäfte jenseits der Schweizer Grenze förderten.
Formen des Einkaufstourismus
Mit dem Aufkommen des Internets hat der stationäre EKT eine Erweiterung erfahren. Nennenswerte Umsätze auf ausländischen Webseiten entstanden ab dem Jahr 2000. Schon damals war Amazon der am häufigsten besuchte Online-Marktplatz in der Schweiz und damals wie heute gab es keine Schweizer Domäne für Amazon. Jeder Schweizer Bürger wusste und weiss, dass sein Geld dem deutschen Ableger von Amazon zugutekommt.
Neben dem stationären Einkaufstourismus kam somit der Online-EKT hinzu und erlebte in den Folgejahren ein stürmisches Wachstum. Waren es zu Beginn des Jahrtausends überwiegend europäische und amerikanische Onlinehändler auf denen Schweizer Bürger einkauften, so folgten ab 2020 viele chinesische Anbieter. Dazu zählen Temu, Shein und AliExpress, die dem Online-EKT einen erheblichen Schub verliehen. Hunderttausende Pakete kommen monatlich aus China in der Schweiz mit dem Flugzeug an.
Online-Einkaufstourismus wächst auf 5,2 Milliarden Franken
Während der stationäre EKT an seine Grenzen kommt, wächst der Online-EKT überproportional schnell. Dieser lag 2021 noch bei rund 3,6 Milliarden Franken und ist auf 5,2 Milliarden im Jahr 2024 angestiegen. In nur 3 Jahren hat dieser Wert um 44 Prozent zugenommen. Nur Migros und Coop erzielen in der Schweiz einen höheren Gesamtumsatz als diese 5,2 Milliarden Franken.
Vom erzielten Online-Umsatz in der Schweiz, der 2024 18 Milliarden Franken (2021: 14,9 Milliarden Franken) erreichte, profitieren Online-Händler aus dem In- und Ausland. Der Marktanteil ausländischer Händler wächst rasant. Doch wer sind die ausländischen Online-Händler, die dem Schweizer Detailhandel 5,2 Milliarden Franken entziehen? Eine Analyse der am häufigsten besuchten Online-Händler in der Schweiz liefert dazu wertvolle Erkenntnisse. Zalando, Amazon und AliExpress schaffen es 2021 als ausländische Anbieter in das Top-10 Ranking der beliebtesten Schweizer Online-Shopping Destinationen und erreichten damals einen Marktanteil in der Schweiz von 21,6 Prozent. Im Jahr 2024 – nur 3 Jahre später – kamen Temu, Shein, Google und Facebook als weitere Online-Händler aus dem Ausland hinzu und bauten diesen Marktanteil auf 31,6 Prozent aus. Somit fliessen vom Gesamtumsatz, den die Top-10 Online-Händler in der Schweiz erzielen (Sie teilen sich 51,6 Prozent des Marktes), mittlerweile rund 60 Prozent ins Ausland.
Wie konnte es Online-Händlern aus dem Ausland gelingen, ihren Umsatzanteil so stark zu erhöhen? Verantwortlich für dieses explosionsartige Wachstum waren in den vergangenen zwei Jahren neben Amazon in erster Linie chinesische Online-Händler, die mit einer grossen Auswahl und sehr tiefen Preisen Schweizer Kunden überzeugten.
Schweizer Konsumenten sind mit den Lieferzeiten und der gebotenen Produktqualität mehrheitlich einverstanden und wollen deshalb auch künftig dort mehr einkaufen. Im Angebot chinesischer Online-Händler erkennen wir einen wichtigen Wachstumsbeschleuniger für den Schweizer EKT in der Zukunft.
Für den Schweizer Detailhandel, der 2024 rund 103 Milliarden Franken Umsatz in stationären Verkaufsstellen sowie über den Online-Handel erzielte (ausländische Online-Umsätze sind mit enthalten) stellt diese Entwicklung eine besorgniserregende Entwicklung dar. Zwar hat der Online-Handel in der Schweiz seit 2021 um 21 Prozent zugelegt, allerdings landete von diesem Wachstum ein grosser Teil in den Kassen ausländischer Online-Händler. Der Online-EKT in der Schweiz erreicht mit 5,2 Milliarden Franken schon fast das Ausmass des stationären EKT, welcher im Jahr 2022 bei 7 Milliarden Franken lag, und ist seitdem – wenn überhaupt – im einstelligen Prozentbereich gewachsen. Vor diesem Hintergrund stellt der Online-EKT die wesentlich grössere Bedrohung dar.
Die vollständige Studie zum Online-Einkaufstourismus finden Sie unter dem nachfolgenden Link:
Neuste Publikationen – Forschungszentrum für Handelsmanagement
Die Schweiz weist übrigens eine überdurchschnittliche E-Shopper-Quote auf, wie sich im European E-Commerce-Report zeigt. Lesen Sie hier mehr darüber.
Quelle: https://www.netzwoche.ch/news/2025-01-28/online-einkaufstourismus-waechst-dank-temu-shein-und-co